Takako Hirai

Takakos Geschichte ist so einzigartig wie ihre Arbeiten: Nach dem Malereistudium in Hiroshima sucht sie nach neuer Inspiration und einem Handwerk, das ihr dabei hilft, ihrem Stil mehr Ausdruck zu verleihen. Durch einen Zufall lernt die Japanerin Arianna Gallo kennen und kommt trotz umständlicher Visumsprozesse immer wieder nach Ravenna zurück. 

Man entdeckt sie erst auf den zweiten Blick, die Figur in ISTINTO, die vollständig mit ihrer Umgebung verschmilzt und sich fast nur durch die unterschiedliche Größe der Teilchen von ihr abhebt. Immer wieder stand ich vor diesem Werk von Takako, als ich meinen ersten Mosaikkurs in Ravenna besuchte, fasziniert von der gefühlvollen Komposition von kalten und warmen Grüntönen, dem Kontrast der lang gezogenen, lebendigen Gräser und Pflanzen mit dem des unruhigen Hintergrunds.

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Takako Hirai, ISTINTO, 2011

Ein bisschen ähnelt diese Figur Takako selbst, die sich so wunderbar zart in ihr Atelier integriert. Immer wieder fasst sie die Teilchen an, die auf dem Tisch herumliegen, dreht und begutachtet sie. Draußen, im grün verwilderten Garten scheint die Nachmittagssonne und taucht ihren Arbeitsplatz in ein warmes Licht.

„Manchmal verbringe ich Stunden damit, mir das Material anzusehen, suche etwas aus und lege es dann wieder weg“, sagt sie, während sie mir ihre Arbeiten zeigt. „Ich bin unglaublich langsam, aber ich brauche einfach die Zeit, die richtigen Stücke zusammenzubringen.“

Wie kam ihr die Idee, das Mosaikhandwerk zu lernen?

„Von einer Studienfahrt nach Italien 1997 blieben mir zwei Mosaiken im Sinn, die ich in Kirchen in Rom gesehen hatte. Während der ganzen Reise kaufte ich keinen einzigen Kunstkatalog, aber drei Postkarten mit Details dieser Arbeiten. Vom Stil her ähnelten sie sehr denen in Ravenna, es waren Naturszenen in starken Farben.“ Nach Abschluss ihres Malereistudiums zurück in Japan wandert ihr Blick immer wieder zu diesen Postkarten. „Je mehr ich mir die Fotografien ansah, desto mehr wuchs der Wunsch in mir, das Handwerk zu lernen, mit dem diese Mosaiken entstanden sind.“

Mit dem Ziel, sich in Italien im Bereich Mosaik weiterzubilden hört sie sich in ihrer Heimat Radioprogramme an, um die italienische Sprache zu lernen. Drei Jahre lang, während einer artist residence in der Nähe von Hiroshima, bereitet sie sich auf diese Weise für ihr Mosaikprojekt vor.

„Online fand man damals auf Japanisch kaum Informationen zum Thema und ich konnte die italienische Sprache noch nicht ausreichend, um Infos zu Kursen in Italien zu finde. Was ich aber verstand war, dass Ravenna als Mosaikstadt mit kulturellem Erbe der richtige Ort für meine Mosaikausbildung war.“

Also kauft sie ihr Flugticket, ohne konkreten Plan und mit den Brocken Italienisch im Kopf, die sie von ihren Radiolektionen behalten konnte. Vor Ort angekommen belegt sie einen Sprachkurs und lernt eine Deutsche kennen, die sie Arianna Gallo vorstellt, damals Lehrkraft im CISIM in Ravenna.

„Wir waren uns auf Anhieb sympathisch und sie bot mir an, mir während meiner zwei Wochen in Ravenna auf privater Basis die Grundlagen des Handwerks zu vermitteln.“

Nach abgelaufenem Visum und einem weiteren Jahr ist Takako entschlossen, ihre Fähigkeiten im Bereich Mosaik weiter auszubauen. Also reist sie wieder nach Ravenna, wo Arianna gerade zusammen mit einem Team aus Mosaicisti verschiedener Werkstätten an der 1:1 Kopie des Alexandermosaiks arbeitet. Takako ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Man bietet ihr an, als Praktikantin auszuhelfen.

„Das war großes Glück für mich und ein sehr spannendes Projekt.“ Erst schlägt sie nur das Material vor, das die anderen für die riesengroße Arbeit aus winzig kleinen Teilchen brauchen, später darf sie auch ein wenig am Hintergrund mitarbeiten. „Nach ein paar Wochen haben sie mir sogar erlaubt, kleine Details wie eine Lanze umsetzen“, lacht sie.

Auf diese Weise lernt Takako on the job und Arianna und sie werden mehr und mehr zu Freundinnen. Nach ein paar Monaten jedoch läuft Hirais Visum aus, also heißt es für sie wieder nach Japan zurückzukehren. Wenige Wochen später kommt sie wieder – und wie es der Zufall will, eröffnen Arianna und Luca zu genau diesem Zeitpunkt ihr eigenes Atelier in der Via Maggiore. Takako laden sie ein, als Mitarbeiterin für sie tätig zu sein.

In den freien Stunden in der Werkstatt beginnt sie, an eigenen Mosaiken zu arbeiten. „Ausdruck zu finden im Mosaik war für mich am Anfang gar nicht das Ziel. Ich wollte in erster Linie das Handwerk lernen, denn ich dachte, es würde mir helfen, in der Malerei einen neuen Weg einzuschlagen.“

Je mehr sie privat an Arbeiten sitzt, desto mehr findet Takako jedoch gefallen an Material und Farben. Und fängt an zu experimentieren.

Es entstehen Naturszenen wie die aus ISTINTO, später macht sie Besonderheiten des Materials selbst zum Thema: Wie in ihrer Arbeit Vene, mit der sie 2013 den Preis G.A.E.M. – Giovani Artisti e Mosaico gewinnt. Hier formieren sich die offenen Venen des mattweißen Marmors Biancone zu einer pulsierenden Masse, die so natürlich entstanden zu sein scheint wie der Felsen aus dem er gewonnen wurde.

Man sieht in Takakos Werken die Freude an der ständigen Suche nach jenem Detail, das in einem Brocken Marmor steckt. Ihre Fähigkeit, diese Spielereien der Natur zu einer neuen ästhetischen Komposition zusammenzufügen, ist außerordentlich.

Kein Teilchen, das fühlt man, liegt bei Takako ohne Grund an seinem Fleck, und das Licht das auf es fällt, die Fuge die es von seinen Nachbarn trennt, sind bewusst gewählt. Das zeigt sich auch in einer ihrer aktuellen Arbeiten, Sognatore, in der sie ausschließlich rechteckige Teilchen aus Spiegelglas einsetzt. Das Licht, das von den einzelnen tessere reflektiert wird, das Volumen, das sie durch ihre Neigung und Fuge kreiert, es macht dieses in seiner bauschigen Traumwelt verlorene Gesicht zu einem poetischen Werk.

Takako Hirai, Sognatore, 2014
Takako Hirai, Sognatore, 2014

Wieder also versteckt sich eine Person in diesem Mosaik, nur zart angedeutet durch ein wenig Fuge, kluge Andamenti und geschickte Neigung der Steinchen.

Warum sie dieses Spiel aus Sehen und nicht gesehen werden so mag? „Vielleicht, weil ich selbst dazu tendiere, meine Gefühle zu verstecken“, sagt sie.

Vielleicht ist es ihre Art, um eben diese Gefühle für ihre Arbeiten zu bewahren.

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Takako Hirai, Sognatore (Detail), 2014
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