Kaum ein paar Tage zurück an der Scuola Mosaicisti del Friuli, geht es schon los mit unserem nächsten Gruppenprojekt: Wir kopieren die Höllenszene aus dem Florentiner Baptisterium. Sie befindet sich im unteren Bereich der Kuppel, die im Durchschnitt 26 Meter misst und vollständig mit Mosaik bedeckt ist. Ihre Gestaltung wird unter anderem Giotto und Cimabue zugeschrieben. Mehr als 100 Jahre, zwischen 1225 und 1330, wurde an der gewaltigen Christusfigur, den Engelshierarchien, Szenen aus der Genesis, dem Leben des Patriarchs Joseph, Szenen aus dem Leben Christi, und Johannes dem Täufer, gearbeitet, die in vier Streifen erzählt werden.
Christus wird als Richter dargestellt (ganze 8 Meter zählt das Rundbild). Zu seiner rechten Hand hat er die Erwählten, zu seiner linken die Verdammten unter den Toten. Sie steigen unter ihm aus ihren Särgen herauf und werden von ihm ins Höllenreich gewiesen, das von einem Menschen fressenden Teufel regiert wird, dem Schlangen aus den Eselsohren kriechen.
Die Szene wird von uns in Originalgröße (3,00 x 1,77 Meter) umgesetzt. Da die Fotos, die uns vorliegen wenig detailgetreu sind, heißt es allerdings: Möglichst nah an den Originalfarben bleiben, aber wenn nötig improvisieren, selbst Farbmischungen erfinden und auch ein wenig persönliche Interpretation einfliessen lassen. Weiterhin arbeiten wir mit immer noch immer römisch anmutenden Andamenti und einer ähnlichen Art, den Raum zu füllen. Die byzantinische Legweise aber ist eine sehr viel chaotischere. Mit unregelmäßiger Oberfläche und Teilchen, die scheinbar fehlerhaft sind und mal viel mal weniger Fuge lassen.
Wir versuchen uns in die Arbeitsbedingungen hineinzudenken, unter denen das riesige Mosaik im Mittelalter entstanden sein muss: Auf einem Gerüst stehend, in unbequemer Position und schlechten Lichtverhältnissen. So kann sicher keine Perfektion erfolgen. Und diese war ja auch gar nicht notwendig, denn von weitem betrachtet fallen vermeintliche Fehler nicht auf. Im Gegenteil entsteht erst durch die unregelmäßige Struktur die vibrierende Oberfläche.
Mit zwei Klassen von insgesamt 25 Leuten und drei Lehrkräften ist diese Gruppenarbeit im zweiten Ausbildungsjahr ein organisatorisch und thematisch anspruchsvolles Projekt. Um möglichst weiche Übergänge zwischen den einzelnen Teilen zu erhalten, machen wir ab und zu Rundgänge und schauen auf die Arbeit unserer Nachbarn. Wie wurden Farbmischungen gewählt, wo gibt es Unterschiede in der Arbeitsweise? Jeder von uns markiert seine Fortschritte in einem Plan, so dass wir den Überblick behalten wie die Arbeiten voranschreiten.
Unser Ausschnitt ist farblich und gestalterisch sicher der lebhafteste der ganzen Kuppel. Die Intensität der Farben, das viele Gold und das Motiv an sich sind atemberaubend schön. Derzeit arbeite ich an einem der Hörner und bin gespannt, welchen Teil ich als nächstes bekomme. Bis Weihnachten soll die komplette Arbeit fertiggestellt sein!
Weitere Infos zum Originalmosaik des Baptisteriums in Florenz findet ihr auf wikipedia.de und florentinermuseen.com.
Foto Battistero di San Giuseppe: Wikipedia Commons