Joyce Kozloff

Ich muss mich an dieser Stelle mal kurz outen. Bis gestern wusste ich nicht, dass es in den USA eine „Pattern and Decoration“ Bewegung gab – kurz P&D. Das war zwischen 1975 und den frühen 80er Jahren.

Die minimalistische Kunst der 60er Jahre hatte die Rechte der Frauen und die Legitimität bestimmter Handwerk- und Design-Elemente in Frage gestellt. Die Kunstwelt war Männer dominiert und von eurozentrischen Vorstellungen geprägt. P&D zielte darauf ab, endlich die Grenzen zwischen hoher Kunst und Handwerk zu überwinden. Die Mitglieder der Bewegung besannen sich daher auf traditionelle Kunstformen wie römische und byzantinische Mosaiken, islamische Fliesen und asiatische Seidenmalerei zurück.

Eine wichtige Akteurin der Strömung war Joyce Kozloff. Geboren in Somerville, New Jersey, begann sie im Jahr 1973 mit großen Gemälden und Zeichnungen, die globale Muster und ornamentale Passagen aufgriffen. Ab 1975 traf sie sich mit Künstlern, die ihre Ideen teilten, unter ihnen Robert Kushner, Miriam Schapiro, Tony Robbin, Robert Zakanitch und Valerie Jaudon. Seit den 1980er Jahren hat Kozloff zahlreiche Projekte im öffentlichen Raum umgesetzt. U-Bahn-Stationen, Bahnhöfe und öffentliche Gebäude zeigen ihre Faszination für komplizierte geometrische Muster und islamische Ornamente.

An Interior Decorated

In den späten 1970er Jahren erstellte Kozloff „An Interior Decorated“. Das Herzstück der raumfüllenden Installation war ein Fliesenboden, zusammengesetzt aus selbst gebrannten und bemalten Fliesen in Stern- und Sechseckform. Das Projekt wurde je nach Räumlichkeit, in der es zwischen 1979 und 1981 ausgestellt wurde, neu installiert. Neben dem Fliesenboden gehörten Siebdrucke, 25 handgemalte Pilaster und Lithografien auf chinesischem Seidenpapier zur Installation.

Joyce Kozloff - An Interior Decorated
Joyce Kozloff „An Interior Decorated“, Mint Museum, Charlotte NC, 1980
Foto: Steve Causey
Ceramic Tile Floor - Joyce Kozloff
Joyce Kozloff „Ceramic Tile Floor“ (Detail), 1978-79
Foto: Miriam Bastisch

Der Boden sollte provozieren. Damals war das Wort „dekorativ“ ein abwertendes Wort, um entsprechende Werke von hoher Kunst abzugrenzen. Und Innendekoration wurde von der Upper Class der Kunstwelt als niedere Aktivität gesehen.

„Ich habe alle Teile des Bodens von Hand hergestellt, indem ich Platten aus Ton ausrollte und die Fliesen mit Backformen ausstach.“

Kozloff ging damals in Haushaltswarengeschäfte, wo sie Ausstechformen in verschiedenen Formen und Größen kaufte. Jede Fliese wurde mit einem Motiv aus ihren Büchern über dekorative Künste der Welt bemalt.

Bis Ende 2013 werden der Fliesenboden und einige Studien von Joyce Kozloff in der Ausstellung „Die anderen Amerikaner“ im Ludwig Forum Aachen gezeigt. Sie gehören zur Sammlung von Peter und Irene Ludwig, die in den späten 60er Jahren Kunst in den Vereinigten Staaten kauften.

Raus in die Öffentlichkeit

Um ein breiteres Publikum zu erreichen, produzierte Kozloff zwischen 1983 und 2003 fünfzehn bedeutende Auftragsarbeiten für die Öffentlichkeit. Die meisten von ihnen wurden mit Fliesen, Glas und Marmor ausgeführt, ihre Ikonografie basiert auf Details aus lokaler Geschichte und Kultur. Viele dieser Projekte wurden an Verkehrsknotenpunkten umgesetzt, darunter das International Terminal des Flughafen San Francisco und die Wilmington Train Station.

„Für Kunst im öffentlichen Raum musste ich resistentere Materialien und Methoden finden, vor allem für Kunstwerke, die Minusgraden ausgesetzt sein würden.“

Die Fliesen der früheren Werke waren bei niedrigen Temperaturen gebrannt worden und mit kommerziellen Glasuren versehen – mit einer zusätzlichen klaren Glasur. So konnte Kozloff eine reiche Farbpalette erhalten. Aber diese Methode war nicht geeignet für öffentliche Projekte. Später, für eine Arbeit in Detroit, verwendete sie handbemalte Keramikfliesen, die in der Kohler Fabrik in Sheboygan, Wisconsin bei höheren Temperaturen gebrannt wurden. Dort lernte sie viel über die industrielle Porzellanherstellung, bei der das Material eine Majolika ähnliche Glasur erhält, die aber viel haltbarer ist. Für die Arbeit in der Bibliothek der Mankato State University in Minnesota arbeitete Kozloff mit Tile Works in Los Angeles zusammen – einer Fabrik, die hochwertige Fliesen produziert – und bemalte die 12 Wandbilder von Hand in Majolika.

Joyce Kozloff - Around the World on the 44th Parallel, Memorial Library, Mankato State University, Minnesota
Joyce Kozloff „Around the World on the 44th Parallel“, Memorial Library
Mankato State University, Minnesota, 1994, Foto: Rik Sferra
Homage to Frank Furness - Joyce Kozloff
„Homage to Frank Furness“, Wilmington Train Station, 1984
Foto: Eugene Mopsik

Kooperationen mit italienischen Handwerkern

Aber für einige der Kunstwerke, die entweder im Freien oder in unbeheizten Räumen in nördlichen Städten installiert werden sollten, hätten auch diese Fliesen nicht überlebt. So begann Kozloff mit Glas- und Marmorsteinen zu arbeiten. Für Künstler, die in den USA mit traditionellem Mosaik arbeiteten, war Costante Crovatto in Yonkers, New York damals die erste Adresse. Die meisten ihrer Aufträge waren für Kirchen, aber sie produzierten auch viele Werke in Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Künstlern.

„Mr. Crovatto war aus einem Dorf der italienischen Region Friaul. Er wanderte irgendwann nach New York aus und wurde ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann mit einem Betrieb, in dem er viele friulanische Handwerker beschäftigte.“

Am Wochenende ging Kozloff in Crovattos Laden, um eine neue Farbmischung für den nächsten Abschnitt im Mosaik zu wählen. Wenn dieser Teil umgesetzt war kam sie wieder und wählte die Farben für den nächsten Abschnitt aus. Und immer so weiter.

„Er hatte eine Auswahl von Smalten in 30.000 verschiedenen Farben, die er in kleinen Behältern sammelte. Wir wählten 6 oder 8 Farben für jeden Abschnitt, steckten sie in einen Behälter, schüttelten einmal kräftig, und probierten die Mischung aus.“

In ihren Arbeiten für das San Francisco Airport, den Buffalo People Mover und den Bahnhof in Philadelphia kombinierte Kozloff handbemalte Fliesen und Glasmosaik von Mr. Crovatto und seinen Mitarbeitern. Jedes Wochenende brachte sie die von ihr im Studio bemalten Fliesen in seinen Laden. Dann wurden sie in die Stücke integriert, die von den Handwerkern mit Smalten bis dahin umgesetzt worden waren.

Humboldt Hospital Station, Buffalo - Joyce Kozloff
Humboldt Hospital Station, Buffalo, 1984
Foto: Biff Henrich

Die Smalten wurden in winzige Teile geschnitten, um in die komplizierten Designs der Künstlerin zu passen. Für die Installation ging Kozloff mit den Angestellten auf die Baustelle und betreute das Projekt vor Ort. Für einige der Stücke, wie das in Buffalo, arbeiteten die Handwerker auf mehreren Ebenen von einem Gerüst aus. Die Mosaiken wurden in indirekter Technik erst Stück für Stück auf Papier erstellt und dann auf die Wand geklebt und vor Ort verfugt.

Für eines ihrer Werke hat sich Kozloff übrigens vom berühmten Mausoleum der Galla Placidia in Ravenna inspirieren lassen. Die Mosaiken des Originals zeigen verschiedene christliche Motive. Auf der Eingangsseite einen jungen Jesus, der als guter Hirte seine Schafe weidet und ein goldenes Kreuz hält. Auf der Südseite des Gebäudes wird San Lorenzo dargestellt, der in der Nähe eines Feuerrostes steht, links davon sind die Bücher der vier Evangelisten zu sehen.

Kozloffs Mosaik zeigt William Penn, den Gründer der Kolonie Pennsylvania und ihrer Hauptstadt Philadelphia. Er steht auf einem Hügel, mit der eingerollten Commonwealth von Pennsylvania in der Hand. Penn setzte ein Regierungssystem in Kraft, das auf Brüderlichkeit und persönlicher Freiheit für Siedler und Indianer beruhte und seiner Zeit weit voraus war. Er ist in Philadelphia so etwas wie ein Heiliger und seine Silhouette das Wahrzeichen der Stadt.

Obwohl die Wand nur leicht konvex ist, erzeugt das Mosaik den Eindruck von Tiefe und suggeriert, man befinde sich im Innenraum eines antiken Bauwerks. Die Flammen, die eigentlich für Märtyrertum stehen, bekommen hier dekorativen Charakter. Die typisch byzantinischen Elemente, die Penn einrahmen, behalten aber ihre Bedeutung und wirken wie ein Schutzschild.

Joyce Kozloff - Galla Placidia in Philadelphia
Joyce Kozloff „Galla Placidia in Philadelphia“, U-Bahn Station in Philadelphia, 1985
Foto: Eugene Mopsik

In einer Rezension in der New York Times zur P&D Ausstellung im Hudson River Museum nennt der Kunstkritiker Holland Cotter Pattern & Decoration die letzte echte Kunstbewegung des 20. Jahrhunderts, die erste und einzige Kunstbewegung der Post-Moderne und die vielleicht letzte Kunstbewegung überhaupt. Falls dem so ist: fulminanter und funkier hätte dieses Ende meiner Ansicht nach nicht sein können.

Weitere Informationen

Website Joyce Kozloff
Cotter, Holland „Scaling a Minimalist Wall With Bright, Shiny Colors“, New York Times, 2008
Swarz, Danto et al. „Pattern and Decoration: An Ideal Vision in American Art“, 2007

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